Mittwoch, 9. September 2015

Die Fachleutefalle


Pflege liegt am Boden, sagt sie.

Warum interressiert es aber niemanden?



Eigentlich ist ja allen bekannt, was zur Zeit in Deutschlands Pflegelandschaft passiert.
Fachgremien, Politiker eigentlich wissen ja alle Bescheid.
Aber ist das so, oder glauben wir nur, dass es so ist?
Es werden Konzepte für eine Pflegelandschaft der Zukunft erstellt. Dort sollen Aus- und Fortbildung geregelt und Wohn- bzw Teilhabekonzepte entwickelt.
Zum grössten Teil auf sehr hohem fachlichem Niveau.

Warum ist es aber so, dass kaum etwas davon bekannt ist?
Weil es die Betroffenen nicht interessiert, weder die Pflegenden, noch die zu Pflegenden und die Menschen, die erst in Zukunft zu pflegen sind schonmal gar nicht.

Ich würde dieses Phänomen eine Fachleutefalle nennen.
Die Diskussion um die Zukunft der Pflege blendet nämlich eine Sache vollständig aus.
Das hier und jetzt. Die jetzige Situation ist nicht der Ausgangspunkt der Überlegungen.
Die Pflegenden leiden jetzt akut unter der Situation, aber das ist nur periphär Teil der Betrachtung.
Konzepte wie Pflege in Zukunft gestaltet werden soll beinhalten nur den Zielpunkt.
Ebenso verhält es sich bei den zukünftig Betroffenen, sie bekommen nur die Ziele kommuniziert, die ja gar nicht so schlecht klingen.
Die Fachleute sind sich einig wo die Reise hingehen soll, soweit so gut.
Die vergessene Dimension ist aber, wie kommen wir dahin?
Wie wollen wir uns dahin entwickeln?
Was nützt eine Akademisierung zur Verbesserung der Patientenversorgung, wenn niemand den Job machen will?
Was nützt eine Generalisierung der Ausbildung, die ermöglicht in allen Bereichen der Pflege zu arbeiten, wenn bestimmte Bereiche der Pflege die Kollegen zum Weglaufen bringt?
Fachleutefalle eben!

Das Ziel ist gut beschrieben, aber der Weg ist nicht klar.

Keiner kommt auf die Idee zu sagen: „Wir brauchen jetzt eine Offensive pro Pflegeberufe und das kostet Geld, unser aller Geld!“
Keiner spricht aus, was alle Pflegenden jetzt schon wissen. Alle Fachlichkeit ist ohne Zeit zur Durchführung sinnlos! Dafür braucht es aber mehr Kollegen, die jedoch werden nur kommen wenn die Bezahlung attraktiver wird. Es sollte zumindest in dem Bereich bezahlt werden, in dem der duchschnittliche Facharbeiter in Deutschland liegt, sonst kann ich kaum gute Leute in die Pflegeberufe bringen.
Die andere Seite der Medallie ist, dass die meisten gar nicht wissen, was Pflege als Beruf eigentlich macht. Dass wir nicht dazu da sind, ausschließlich das Wohlbefinden der Menschen zu fördern, dass wir nicht nur Kaffee bringen und Betten machen, das weiß kaum jemand.
Warum nicht?
Es weiß kaum jemand, weil wir es ja tun. Betten machen, Kaffee bringen, Schränkchen putzen etc. Wenn Pflegende den ganzen Tag Dinge tun, die eigentlich von Hilfskräften erledigt werden könnten, dann müssen wir uns nicht wundern wenn wir auch wie Hilfarbeiter wahr genommen werden.
Jetzt werden viele sagen: Aber wir wissen doch, was die Aufgaben der Pflege sind.
Klar wissen wir das, wir sind ja Fachleute!
Und da schnappt die Falle wieder zu. Alles Wissen ist nutzlos, wenn die Wahrnehmung durch andere nicht dem entspricht und ohnehin die Zeit fehlt fachlich gut zu pflegen.

Wir müssen raus aus dieser Falle, wir müssen mit den Menschen ins Gespräch kommen, nicht nur mit anderen Fachleuten. Ja, das heißt auch, dass wir eine Menge aushalten müssen weil unsere Selbstwahrnehmung nicht der Wahrnehmung der durchschnittlichen Bevölkerung entspricht.
Das müssen wir aushalten. Wir müssen aufhören unter uns zu jammern, dass niemand versteht was wir eigentlich tun!

Sonst werden wir irgendwann zu dem für das man uns hält, Hilfskräfte ohne Einfluss.



Euer
Garcon de Piss

Freitag, 4. September 2015

#Pflegestreik vorm Landtag in NRW

 Pflegestreik geht auf die Straße... 

... und guckt dumm aus der Wäsche!

Gestern war es also soweit,


Der Hashtag Pflegestreik geht auf die Straße.
Das Erlebte von Gestern ist etwas, was ich hier mal reflektieren will, aber zuerst mein Dank an die Leute von Pflege am Boden, die uns bei ihrer Demo so herzlich aufgenommen haben und mitmachen ließen.

Der Ablauf des ganzen ist eigentlich schnell erklärt. Die Kollegen von Pflege am Boden haben routiniert (sie haben ja auch Erfahrung) alles aufgebaut. Wir wurden freundlich begrüßt, und dann ging es auch schon los. Die ersten Politiker erbarmten sich unser und richteten ein paar Worte an die Pflegenden und ließen das Auditorium Fragen stellen. Das klingt zunächst einmal ganz gut. Dass die Politik sich zu einem relativ kleinen Haufen Pflegeaktivisten gesellt hat, ist ja ein positives Zeichen.

Allerdings gibt es für mich bei der Sache genug Gründe zur Selbstkritik.

Am meisten habe ich mich zunächst mal über mich selbst aufgeregt. Denn wenn einem die besten Ideen, was man speziell zu unserer Gesundheitsministerin hätte sagen sollen, erst auf dem Heimweg kommen, war man offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet.
Das wurmt mich. Zumal ich die Aussage von Frau Steffens (sinngemäß verkürzt): "Ich kann da leider nichts für Sie tun, dafür ist der Bund zuständig!" schockierend fand. Wie bitte? Sie kann nichts für tun? Betroffenes Gesicht und Ende? Diese Frau ist GESUNDHEITSMINISTERIN des Landes NRW. Leider kann sie aber nichts tun. Ich stelle mir das gerade anders herum vor.

"Es sind schon wieder 2 Kollegen krank geworden. Kannst Du bitte morgen kommen, sonst müssen wir die Station schließen."

"Ich habe frei. Leider kann ich da gar nichts für sie tun."

"Frau Schmidt ist aus dem Bett gefallen. Ich bin doch allein im Spätdienst. Hilfst Du mir bitte noch schnell, sie wieder ins Bett zu bringen?"

"Dass tut mir leid für Frau Schmidt. Eine schlimme Situation. Allerdings ist es bereits 14:12 Uhr und mein Frühdienst beendet. Leider kann ich gar nichts dagegen tun. Das mit dem Pflegeschlüssel muss der Herr Gröhe regeln, sorry!"

Das erste was ich dachte: Dann gibts wohl eine Planstelle zuviel in der NRW Regierung. Sie wollen keine Verantwortung, was zur Hölle tun sie dann hier?
Hab ich aber nicht gesagt, denn konstruktiv geht irgenwie anders.
Trozdem hat die Aussage mich gewurmt, den ganzen Tag. Ich fühlte mich verarscht.
Wie kann man sich hinstellen und als Ministerin sagen: "Da sind mir die Hände gebunden."
Auf dem Heimweg kam mir dann was man hätte sagen können,.... ja Schlagfertigkeit geht anders.
Der Punkt ist auch, dass ich vorher nicht wusste, wie genau der Hase läuft bzw wer mit wem und warum spricht. Eine Sache hätten wir der guten Frau Steffens mit auf den Weg geben sollen.
"Wenn Sie doch der Überzeugung sind, dass etwas passieren muss und Sie unsere Forderungen für so gerechtfertigt halten. Warum in drei Teufelsnamen bringen Sie es dann nicht wenigstens, wie viele andere grüne Themen, immer und immer wieder in die Öffentlichkeit? Warum machen Sie sich nicht zum Fürsprecher der Patienten und Pflegenden? Geld spielt doch, bei Themen die ihnen und ihrer Partei wichtig sind, nur eine untergeordnete Rolle. Sie sind es doch, die selbst gegen Widerstände versuchen diese Welt zu verändern. Warum nutzen Sie ihre Reichweite nicht um es zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema zu machen? Wenn nicht Sie, wer dann?"

Hab ich aber nicht gesagt. Warum, weiß ich nicht.....Nur dass es mich jetzt noch ärgert.

Was ich mich ebenfalls gefragt habe, für wen sprechen wir er eigentlich?
Ein Kollege von Pflege am Boden sagte, der Vorteil von Pflege am Boden sei, dass es keine Gewerkschaft sei.
Das ist aber auch ein Nachteil. Warum? Das ist eigentlich ganz einfach. Die Mensche, die zur Zeit für die Pflege auf die Straße gehen, tun dies ohne eine Legitimaion für die Pflege sprechen zu dürfen.
Versteht mich nicht falsch Kollegen, aber im Zweifelsfall könnte man uns als einen Haufen selbsternannter Weltverbesserer sehen, denen man gar nicht zuhören muss.
Ich denke nicht, dass wir das sind. Wir müssen uns aber fragen warum kommen so wenige Kollegen, warum steht die Masse der Pflegenden zwar hinter uns, aber nicht auf?
Oder steht sie vielleicht gar nicht hinter uns?
Sollten wir da nicht mal Stimmen sammeln? Sollten wir nicht mal fragen, warum so wenige für unseren Beruf auch kämpfen? Das wäre mal eine Standortbestimmung.
Aus so einem Ergebnis könnte man Schlüsse ziehen, aber wie kommen wir dran, wir sind ja keine Gewerkschaft....

Noch eine persöhnliche Nachbemerkung zum obigen Absatz. Ich glaube die Kollegen kommen nicht aus einer Mischung aus Angst vor Repressalien, subjektivem Zeitmangel und dem diffusen Gefühl, dass es wahrscheinlich kein messbares Ergebnis hat. Was meiner Meinung nach eine Folge der Arbeit in der Pflege ist.


Ausserdem habe ich mich noch Folgendes gefragt. Welche Stelle weisen wir uns zu in dieser Auseinandersetzung?

Dafür muss ich ein wenig ausholen:

Was natürlich schön war an dem Tag war Pflegekräfte zu treffen, die ähnlicher Meinung sind wie man selbst und wo es weniger Worte bedarf um Probleme zu thematisieren.
Klingt erstmal gut, aber da liegt eines der Hauptprobleme der Pflege.
Wir sind, im übrigen ähnlich wie Ärzte, in unserem Beruf und unserer Sprache bereits sehr weit weg von dem was die Bevölkerung ohne zusätsliche "Übersetzung" versteht.
Wir versuchen aber dem Adressaten, also der Bevölkerung, unserer Forderung klar zu machen, weil sie uns ja brauchen. Die werden uns aber nicht verstehen! Wir glauben es wäre irgendwie jedem völlig klar was wir tun, ist es aber nicht. Selbst Patienten im Krankenhaus sehen oft nur den letzten Schritt unserer Arbeit. Was an Planung, Übersicht und notwendigem Fachwissen dahinter steckt, das bleibt verborgen und wird, wenn überhaupt, nur der Medizin zugerechnet.
Wie wollen wir in diesem Dunkelfeld von Informationsdefizit, den Menschen erkären: "Helft uns damit wir euch helfen können?"
Die meisten sagen: Ich helfe mir selbst und wenn das nicht geht, geh ich zum Arzt. Warum helft ihr euch nicht auch selbst, oder macht was anderes?
Unsere Rolle im Gesundheitswesen ist für viele einfach umschrieben, die tun was der Arzt sagt, und was wir verlangen. Wir versuchen uns natürlich, wie es die Krankenpflege gewohnt ist, zu erklären, die Patienten zu informieren und zu beraten.
Ich sehe darin ein Problem, weil es keinen mehr interessiert, wenn wir langatmig und langweilig daher kommen.Natürlich müssen wir zunächst haufenweise erklären bis wir zum Kern unseres Problems kommen. Da hat aber keiner Bock drauf. Ausserdem glaube ich, die Menschen wollen nicht belehrt werden.

Die Attitüde: "Ich erklär dir mal warum ich wichtig bin und du mir deshalb helfen musst" kommt nicht gut an!"

Möglicherweise ist der Transport unserer Anliegen nur durch eine radikalere, plakativere Sprache möglich. Vielleicht ist es notwendig, dass uns Leute wütend fragen, was glaubst du eigentlich wer du bist? Dann könnten wir erklären und sogar davon ausgehen, dass tatsächlich auch jemand zuhört.
Wir müssen mehr polarisieren, mehr schokieren, damit die Leute fragen: "Sagt mal, was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?" Wir müssen den Leuten die Angst machen, die sie haben sollten!
Aber wir sind oft genug Sprachlos! (siehe hier)
Pflege ist nicht laut, sie ist geschickt und leise und setzt darauf, dass die Vernuft siegt.
Blödsinn, das wissen wir auch eigentlich.
Wir argumentieren, und da nehme ich mich bewusst nicht aus, mit unserem Wissen um die Strukturen!
Das versteht aber niemand und ich behaupte die Politik nimmt das dankend an.
 Denn, wenn wir nicht klar machen, dass Menschen in Leben und Gesundheit bedroht sind, weil die Politik nicht aus dem Knick kommt, wer soll es dann tun?
Wir müssen den Leuten nichts erklären sondern knallhart ins Gesicht schreien, dass sie verrotten werden wenn die Politik nicht handelt. Wir brauchen die Wut der Menschen auf dieses unmenschliche System.
Aber diese Wut können wir, so glaube ich, nicht durch Beratung erzeugen. Die Menschen in unserem Land müssen begreifen, dass dieses Thema Angst machen muss, weil es unabwendbar auf sie zukommt ohne wenn und aber ohne Ausweg wenn jetzt nichts passiert.
Lasst uns die Pflege selbst aus der Diskussion nehmen und das Opfer dieser Politik des Verdrängens in den Fokus stellen, den Mitbürger.
Wir müssen radikaler aufzeigen was die Folge des Nichthandelns der Politik sind, der totale Verlust von Würde im Alter und im Krankheitsfall.
Wir müssen es bewerkstelligen dieses Problem auf eine Stufe mit Altersarmut zu stellen.

Mein Fazit, wir müssen uns aus dem Fokus nehmen, denn wir können gehen, Patienten nicht. Wir müssen es nicht ausbaden, wenn wir nicht wollen.
Wir müssen nicht erklären warum die Pflege Hilfe braucht.
WIR brauchen keine Hilfe, WIR können entscheiden nicht zu Pflegen.
Wir müssen nur sagen: "Wenn ihr uns nicht braucht, seht zu wie ihr klar kommt!" Und bitte kein "Ich liebe meinen Job so sehr Gefasel" mehr. Denn genau darauf ruhen sich offensichtlich alle aus. Wer seinen Job liebt, der möchte ihn RICHTIG machen. Dazu wird es aber nie wieder kommen, solange alle meinen, dass eine Pflegekaft ihre Patienten und ihren Beruf mehr liebt als die eigene Familie und Gesundheit. Bitte hört auf diese Klischee zu bedienen!

Ihr denkt das ist zu hart? Guckt euren Kollegen nach 12 Tagen Dienst ins Gesicht, dann wisst ihr, die Menschen in diesem Land sollen dankbar sein, dass wir NOCH da sind. Das müssen wir und sie begreifen! 

"Gebt uns Gründe zu bleiben, sonst sind wir weg und ihr im Arsch!"


Euer

Garcon de Piss



Nachtrag: Wenn ihr was dazu zu sagen habt, tut es. Kommentiert was das Zeug hält. Kein zustimmendes Nicken, kein Nase rümpfen. Sagt, was ihr denkt, nur so kommen wir ins Gespräch!








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