Mittwoch, 31. Dezember 2014

Das Maß ist voll...

und zwar sowas von voll, 

dass mir gerade, am letzten Tag des Jahres der Kragen platzt.
Nach einem,  dank überaus harmonischer Gestaltung der Dienstpläne, völlig versauten Dezember (siehe hier) kommt das dicke Ende heute.
Am letzten Tag 2014 wird das Jahr 2015 schon direkt wieder mit Wut eingeläutet, aber der Reihe nach.
Ich schrieb ja bereits darüber, dass Arbeitgeber in der Pflege dazu neigen, Personal als Verbrauchsmaterial zu sehen, was nach Bedarf an und abbestellt werden kann.


Aber dieser Dezember hatte selbst für jemanden der sich seit 1996 in der Pflege verdingt, Sachen bereit, die mich vor Wut zum schäumen bringen.

Wir haben also im November den Weihnachts- und Silvesterplan besprochen.
Daraus wurden während des Dezembers ohne Absprache 7 Änderungen des laufenden Planes.
Ohne, dass sich auch nur ein weiterer Kollege krank gemeldet hätte.
Das führte schon zu lautstarken Auseinandersetzungen mit der Pflegedienstleitung.
Da wir bereits die 3. Änderung in der ersten Dezemberwoche hatten, planten wir eine Dienstbesprechung mit ihrer Anwesenheit.
10 Minuten vor der Sitzung verließ sie dann die heiligen Hallen.
Einige Tage drauf kam es dann wieder zu einer Auseinandersetzung mit der Pflegedienstleitung.
Sie regte sich maßlos darüber auf, dass so wichtige Dinge ohne ihre Anwesenheit besprochen wurden.
Eigentlich machte sie nur die anwesende Protokollführerin rund, für das, was besprochen wurde.
Die Kollegin antwortete darauf nur, sie hätte doch zur Sitzung bleiben können, schließlich wurde ihr ja gesagt, dass es wichtig sei.
Darauf fuhr sie die Kollegin an, niemand könne über IHRE Freizeit bestimmen und wir schon mal gar nicht!
Da ist mir die Hutschnur gerissen.
Ich habe sie gefragt was sie denn meint, was sie tut wenn sie dauernd Dienstpläne umschreibt, Kollegen gegen Absprachen Weihnachten und Silvester einsetzt usw.
Ihr Antwort: Wir wären schließlich FREIWILLIG hier beschäftigt.
Das nagte an mir, ja ich war freiwillig dort.
Dämlich wie ich bin erwartet ich einfach mehr als das übliche: "Ich Chef du nix!"
Gut, dachte ich, lächle und sei froh, den Rest könnt ihr euch denken.

Nächster Akt erste Szene:

Öffnen der Abrechnung am 24. Dez morgens.

Kohle stimmt nicht...
Nur 20 von 46 Überstunden drauf, Bereitschaftsdienste gar nicht.

Anruf bei der PDL:

"Also ich habe beschlossen, dass wir ein Stundenkonto einführen."
"Das kannst du nicht einfach so beschließen"
"Das gibt es überall."
"Ich habe es nicht im Vertrag, Es gibt keine Betriebsvereinbarung und es gilt für uns kein Tarifvertrag."
"Das ist in der Pflege so!"

Ende des Gesprächs

Zweite Szene:

Eine Email:
Du hast leider keine Überstunden, da ich alles mal mit vergangenen Monaten verrechnet habe!

Ähm? Was bitte? Meine Stundennachweise sagen was anderes!

Egal meine nicht!

Okay dachte ich mir, du willst Krieg, den bekommst Du!
Dabei ist mir jetzt auch scheißegal ob ich bis Ende Februar Probezeit habe!
Ich bin Pfleger, kein Sklave!

Nun wer jetzt erwartet es wäre zu Ende, der kennt den klassischen Dreiakter nicht!

Dritter Akt:
Silvester, der Protagonist der Geschichte sitzt Kaffee schlürfend mit der Brut vor dem Fernseher.
BING!

Eine Email.

Oh von der Chefin, bestimmt die üblichen guten Rutsch Floskeln! Gleich mal ansehen.

Da stand dann schwarz auf weiß, ich hätte ja nur 15 Tage Urlaub angegeben und müsste das jetzt mit meinen  Kolleginnen absprechen. In den Ferien sähe es übel aus, da hätten ja jetzt die Mütter alle frei, da könne ich nicht auch noch.

Kaffee weggespuckt....

Als Vater brauche ich keinen Urlaub? Ach ja, sehe meine Familie ja eh nie wirklich, dann fehle ich im Urlaub ja auch nicht! ODER WAS?

Wir haben GEMEINSAM einen Urlaubsplan erstellt, im November. Dort stand es schwarz auf weiß. Urlaubsanträge für Ostern, Sommer und Herbst.
Das stimmt jetzt offensichtlich nicht mehr. Urlaub gemeinsam mit der Familie? Wer braucht denn sowas?

Das war mein Dezember.

Jetzt sitze ich hier mit einer Mordswut im Bauch!
Gleich muss ich mich von meinen Kindern verabschieden, denn ich hab Nachtdienst.
Ich fühle mich leer, verbraucht und verarscht.
Ich will diesen Scheiß nicht mehr. Nicht mehr diesen Job unter diesen Bedingungen.

Ich will wieder ein Mensch sein, ein Vater, jemand der weiß wann und wofür er arbeitet. Jemand der wirklich freie Tage und Urlaub mit seiner Familie hat.

Und jetzt weiß ich auch nicht weiter....

Guten Rutsch

Euer

Garcon de Piss


Freitag, 5. Dezember 2014

„Komm scheiß auf die Kohle Schatz!“ oder „Warum Familie und Pflege nicht zusammen passen.“

Wir sind die typische Pflegefamilie. Krankenschwester und Krankenpfleger. Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt, geheiratet und Kinder bekommen. (In diesem Beruf ist es ja auch kaum möglich jemand außerhalb der Klinik kennenzulernen, das würde nämlich ein Privatleben voraussetzen.)

Nun ist der jüngste Spross gerade 1 Jahr alt geworden, womit sich Vater Staat aus der finanziellen Unterstützung verabschiedet. Soll heißen, Elterngeld ist ausgelaufen. Ich kann ja wieder arbeiten.

Ach ja? Kann ich das? Mit 2 Kleinkindern, in der Pflege?

Nun bin ich ja top qualifiziert. Mein Examen erlaubt mir die unterschiedlichsten Tätigkeitsbereiche. Von Intensiv- bis Palliativpflege, von Krankenhaus, Seniorenheim über ambulanten Pflegedienst, Dialysepraxis bis hin zu Psychiatrie und Gynäkologie. Kein Bereich, auf den ich während meiner Ausbildung nicht vorbereitet worden wäre.

Das kann doch nicht so schwer sein, was passendes zu finde, oder? Sagt zumindest meine Schwiegermutter: „Also ich war nach der Geburt deines Mannes sofort wieder arbeiten. Dann nur noch halbtags, aber das war kein Problem. Kannst doch auch `ne kleine Stelle machen.“

Eine kleine Stelle, so so. Liebste Schwiegermama, Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit. Denn während du regelmäßig Montag bis Freitag von 08 bis 12:00 Uhr arbeiten gegangen bist und anschließend deinen Sohn zunächst von seiner Oma und später aus dem Kindergarten abgeholt hast, bedeutet Teilzeit für eine Krankenschwester im Klinikalltag Verfügbarkeit an 365 Tagen im Jahr 24 Std.

Ja, die monatliche Stundenzahl ist begrenzt, ähm sollte eigentlich begrenzt sein. Aber wann ich diese abzuleisten habe entscheidet sich jeden Monat neu. Ich habe vielleicht die Wahl ob in 8 oder 12 Std Schichten. Aber ganz sicher nicht nur an Wochentagen zu je 4 Stunden. Und da der werte Gatte nach eben demselben völlig willkürlichem Prinzip seine Dienste zugeteilt bekommt, hieße das Monat für Monat spontan Kinderbetreuung zu organisieren. Mal für Montag Nachmittag, mal für 3 Tage am Stück nachts, mal für Ostern und mal für Silvester. Und jetzt kommst Du ins Spiel, Schwiegermama. Möchtest Du das? Dein Rentenzeit nach unseren Dienstplänen ausrichten? Nur noch in den Urlaub fahren können, wenn wir Urlaub haben? Termine mit Freunden absagen, weil einer von uns einspringen soll und der andere ohnehin Dienst hat? Denn den Löwenanteil der Kinderbetreuung wird keine Kita abdecken. Nicht nachts, nicht im Spätdienst, nicht an Feiertagen und nicht an den Wochenenden.

Komisch, auf einmal war meine Schwiegermutter gar nicht mehr so begeistert von ihrer Idee.

„Aber Moment, es gibt doch noch verschiedene Praxen. Die stellen doch auch oft Krankenschwestern ein. Und da muss man doch nur zu den Öffnungszeiten da sein. Also regelmäßig und nicht an Feiertagen und Wochenenden.“

Richtig, ich habe mich auch dort erkundigt. Und es ist überhaupt kein Problem für mich als Schwester mit Erfahrung in der Ambulanz zum Beispiel in einer der chirurgischen Praxen hier in der Nähe eingestellt zu werden. Allerdings zum Tarif einer Arzthelferin. Das hieße dann, dass ich mit einer halben Stelle Lohnsteuerklasse 5 exakt die Kosten für die beiden U3 Kitaplätze und die Ganztagsbetreuung des Großen plus ca 100Euro erwirtschaften würde. Na wenn das mal nix ist! Das könnte ja sogar für`s monatliche Spritgeld reichen um zur Arbeit zu kommen. Wahnsinn!

Nun kommt der Mann mit zur Unterhaltung. “Ach komm scheiß auf die Kohle, Schatz. Bleib noch ein Jahr zu Hause, dann sehen wir weiter. Wir beantragen diese Herdprämie dann ist wenigstens einer von uns immer für die Kinder da. Und wenn`s ganz eng werden sollte, mache ich eben noch 450€ oben drauf.“

Genau, eine tolle Lösung! Ich möchte doch eigentlich wieder arbeiten. Und den Mann kotzt es jetzt schon an, die Kinder teilweise tagelang nicht zu Gesicht zu bekomme. Wir sind aber auch nicht bereit, dass sich das Leben unsere Kinder und wegen der Betreuung sogar das unserer Eltern diesem bescheuerten System unterordnen muss. Also machen der Mann und ich exakt das Gegenteil von dem, was wir uns eigentlich gewünscht hätten. Also das nächste Jahr und dann mal schauen.

Weil Pflege und Familie einfach nicht zusammen passen.

Und jetzt frage ich mich:

Wo ist das Problem in Krankenhäusern arbeitnehmer- und familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen?

Wo ist das Problem Schichten für Teilzeitkräfte einzuführen, die beispielsweise von 8:00 bis 12:00 Uhr gehen? (Es ist genug zu tun in dieser Zeit!)

Wo ist das Problem verlässliche Rollendienstpläne zu erstellen?

Wo ist das Problem wenigstens den Versuch zu starten auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen?

Es herrscht Pflegenotstand. Offene Stellen können monatelang nicht besetzt werden. Und immer noch sind Betriebe, die den pflegenden Mitarbeitern gegenüber so etwas wie Wertschätzung entgegenbringen und das Thema „Work-Live Balance“ nicht nur irgendwo auf ein Blatt Papier gemalt haben, sondern in die Tat umsetzen, die große Ausnahmen. WARUM?

Wenn man nur diejenigen zurück in den Beruf bekäme, die der Pflege genau deshalb den Rücken gekehrt haben, wäre schon so vielen geholfen. Alle Reden immer von Geld. Klar, in Sachen Gehalt ist natürlich noch eine ganze Menge Luft nach oben. Aber was bitte kostet denn eine vernünftiger und verlässlicher Dienstplan?

Eure

@emergencymum

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Pfleger und Schwestern sind KEIN Verbrauchsmaterial! Oder es weihnachtet sehr in der Pflege.....

Es ist wieder so weit.....

die besinnlichen Feiertage stehen an, alle bereiten sich auf einen Jahresausklang vor.

Alle?

Nein, in der Pflege geht es jetzt wieder hoch her. Nachdem im November alle Planungen bezüglich Weihnachten und Silvester gelaufen sind kommt nun am 4.12. der DRITTE Dienstplan für Dezember raus.

Mir reicht es! Anmerkungen bezüglich des Direktionsrechts des Arbeitgebers werden mit einem
"in der Pflege ist das halt anders" beantwortet.

Was ist in der Pflege anders? Haben wir kein Recht auf eine Freizeitgestaltung? Zur Erklärung:
Ausgangsfrage war wie immer: "Wer macht Weihnachten, wer Silvester?" Denn Urlaub bekommt eh niemand und irgendwie soll ja alles fair ablaufen. Ich habe 3 Kinder, entscheide mich also für Silvester. Nachtdienst, versteht sich. Chefin möchte aber auch noch das folgende Wochenende. Gut, dann eben 5 Nächte zu je 12 Std. Hauptsache Weihnachten zu Hause bei der Familie. Dann versuchen wir eben sämtlichen familiären und sozialen Kontakte in den 5 freien Tage über Weihnachten gerecht zu werden. Diese Vereinbarung hat auch gehalten. Und zwar exakt 2 Dienstpläne (wir sprechen hier immernoch über den Monat Dezember) lang.

Warum bitte soll ich es jetzt hinnehmen, dass in der 3. Version aus einem "nur" Silvesterdienstblock, 4 Tage Nachtdienst bis einschließlich 24. wird und dann nochmal sportliche 60h am Stück bis zum Jahresende?
Mit der Begründung es wäre quasi ein Notfall?
Ich erkenne den Notfall nicht.

Der Notfall ist: Der PDL ist plötzlich aufgefallen, dass da ja Mitarbeiter zusammenarbeiten, die ihrer Meinung nach nicht zusammen arbeiten sollten.

"Es müssen ja gerade über die Feiertage Leute da sein, die wissen was sie tun!"

Bitte was?
Die Leitung geht davon aus, dass Leute hier im Dienst sind, die nicht wissen was sie tun?
Noch ein größeres Armutszeugnis kann man sich als Leitung nicht ausstellen.
Sollte dem so sein, dann habe ich als Leitung doch dafür zu sorgen, dass meine Mitarbeiter qualifiziert werden, oder? Und wenn es Geld kostet dann ist das eben so!
Mal abgesehen davon, einer examinierten Pflegekraft so etwas vorzuwerfen... Sie wüsste nicht was sie tut. Hallo?

Ich habe die Schnauze voll!
Ehrlich, ich bin nicht mehr bereit mein Leben aufzugeben für meinen Arbeitgeber.

Aber genug Wut jetzt!

Versuchen wir das ganze sachlich zu betrachten, außerhalb von Vorschriften.

Pflegekräfte sollen wertschätzend mit ihren Patienten umgehen, weil es ein Kern unseres Berufes ist.
Wir tun das auch, abseits aller unrühmlicher Ausnahmen.
Unser Vorgesetzten verlangen das auch zu Recht von uns.
Aber wo bleiben wir in der Geschichte?
Wertschätzung gegenüber uns bleibt völlig auf der Strecke, Dienstpläne sind offensichtlich nicht mehr bindend für Arbeitgeber. Arbeitzeitgesetze werden als gut gemeinter Rat gesehen.
Über Personal verfügt man. Da wir ohnehin 24*7 da sein müssen dann eben auch genau so.
Es ist egal. Egal wieviele Dienste wir bereits haben, egal was besprochen war. Unsere Freizeit ist betriebswirtschaftliche Verfügungsmasse, natürlich nur zum Wohle des Patienten.
Aber ist das so? Dient es dem Wohl des Patienten wenn ich 60h in der Woche arbeite?
Dient es dem Wohl des Patienten wenn ich mal wieder alle Festlichkeiten zu Weihnachten und Silvester sausen lassen muss, weil mein Arbeitgeber sich einen neuen Dienstplan ausgedacht hat?
Ich denke nicht!
Das Gegenteil ist der Fall. Das Pflegepersonal ist das Feigenblatt eines Systems indem es nur um die Wirtschaftlichkeit geht.
Von uns wird erwartet, das freundliche, fürsorgliche Gesicht eines durch und durch gewinnstrebenden Systems zu sein.
Der Patient ist Fallpauschale und unsere Arbeitskraft trägt leider am wenigsten zur Refinanzierung bei.
Wir werden zerrissen zwischen Wirklichkeit und Anspruch.
Familienleben, Freunde, soziale Kontakte, alles muss hinter dem heiligen Dienstplan zurückstehen.
Wie wertschätzend kann, so frage ich mich, jemand gegenüber seinen Patienten sein, der keinen geregelten Ausgleich von der Arbeit mehr findet? Geregelt heißt in diesem Falle, verlässlich, planbar und ausreichend.

Gute Pflege kann nur von Menschen geleistet werden, die fest in ihrem Leben stehen und Rückhalt durch Freunde, Familie usw für ihren teilweise extrem psychisch belastenden Beruf haben.

Ich denke, ich habe Pflege durchgespielt, der Endgegner ist erreicht.
Ich will gesund bleiben und denke ich muss deshalb von den Kranken Abstand nehmen.
Und mit krank meine ich nicht primär die Patienten. 


Euer

Garcon de Piss





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