Freitag, 21. November 2014

Macht uns die Sprache sprachlos?

Ich habe mir in letzter Zeit oft Gedanken gemacht warum die Pflege den Problemen oft sprachlos gegenübersteht.
Ich habe einen, völlig subjektiven, Erklärungsansatz gefunden und möchte ihn auf diesem Wege mit euch teilen.

Mir ist auf gefallen, dass meine Kollegen und ich auch oft unsere Probleme, die in unserer Arbeit entstehen verklausulieren.
Kaum jemand sagt ganz offen wenn es so weitergeht fahren wir die Karre mit 180 vor die Wand.
Oft hört sich unsere Kritik an wie eine Pflegeplanung.
Eine Minimale Beschreibung des Problems, eine endlose Aufzählung von Ressourcen, und dann eine Maßname quasi als Lösungsangebot. Außerdem nehmen wir dabei auch oft noch die Rolle des Gegenübers an um Dinge die uns "wehtun" für andere zu begründen.

Ich versuche das mal an einem Beispiel deutlich zu machen.

Wir sind alle ständig von Personalnot bedroht.
Aber wie äußern wir das?
 Was schlagen wir vor?

Die Feststellung, wir haben zu wenig Personal ist noch schnell gemacht.
Dann aber verfallen wir oft schon in die Erklärung was wir aber dennoch alles für die Patienten tun können obwohl wir zu wenig Zeit haben, dass es den Patienten ja eigentlich gut geht, es aber natürlich besser gehen könnte.
Um dann die Lösung nach zu schieben wir wären ja Zufrieden wenn wir etwas mehr Personal hätten.

Klingt fast wie Pflegeplanung, oder?

Dann, so geht es oft weiter, wird das Verhalten des Arbeitgebers erklärt.
Es würde ja sicher Personal eingestellt, wenn es welches am Markt gäbe.
Außerdem müsse man ja mit dem Geld haushalten, das wäre ja eine wichtige Aufgabe des Arbeitgebers.

Da fange ich oft schon an zu zweifeln ob meine Kollegen sich ihrer Rolle noch bewusst sind.

Oft wird dann noch nachgeschoben, man wäre sogar bereit auf Lohnerhöhung zu verzichten nur um mehr Personal zu bekommen.

Da  verlassen wir nun vollständig den Pfad des gesunden Menschenverstandes.

Warum aber ist das so, warum verfallen viele in dieses Muster der Erklärung?

Meine Antwort ist, weil wir es so gelernt haben.
Es ist die Sprache der Pflege die wir hier hören.
Wir sind es gewohnt, zu jedem Problem zuerst die Ressourcen zu sehen.
Wir sind es gewohnt dem gegenüber nicht die Schuld an der Situation zu geben, sondern sie als eine Folge von Ereignissen zu sehen, auf die unser Gegenüber keinen Einfluss hat, oder so nicht wollte.
Wir wagen es nicht jemanden bloß zu stellen.
Wir verklausulieren üble Dinge in positiver Sprache.
Und wir sind es gewohnt für andere mitzudenken.

Daher kommt unsere Kritik, bei anderen die diese Art der Kommunikation nicht gelernt haben immer ein wenig rüber wie: eigentlich geht es doch noch grade eben so.

Ganz Ähnlich wie in Pflegeplanungen, wo man selbst bei schwerstkranken dem Tode geweihten Patienten schreibt was ihre Ressourcen sind.

Das verstehen normale Menschen nicht! Die lesen was der Mensch noch alles kann und denken: Och, so mies geht es ihm ja dann doch noch nicht.

Ich glaube diese Sprache lässt uns mehr und mehr in einer Blase verschwinden.
Untereinander verstehen wir uns, aber darüber hinaus?


Nur wenige sind in der Lage Dinge so zu formulieren, dass es ankommt und auch weh tut.

 Zum Beispiel so:

Da wir zu wenig Personal haben müssen bei Patienten eigentlich notwendige Pflegehandlungen unterbleiben.
Das führt automatisch zu Pflegefehlern oder gefährlicher Pflege durch Unterlassung.
Für die Personalsituation ist der Arbeitgeber verantwortlich und nicht wir.
Wir tragen nicht das Unternehmerrisiko für unsere Arbeitgeber.
Und lieber Arbeitgeber, erzähl mir nicht wir müssen uns am Markt positionieren, während du mir erzählst das Marktgesetze bei der Lohnfindung nicht gelten.
Willst du Leute bekommen oder halten musst du Zahlen, das Spiel von Angebot und Nachfrage!

Eigentlich ist es doch das was wir meinen.

Aber wir verbieten uns aggressiv aufzutreten, das gestehen wir nur anderen zu, ja wir versuchen es bei anderen sogar zu erklären.Wir versuchen das System zu gesund zu pflegen ohne es vor den Kopf zu stoßen. Die Maximalforderung ist der Pflege fremd, die Pflege verhandelt nicht gerne, sie versucht zu lenken, mit Überzeugung, mit Beratung und Anleitung...
Wir drohen nicht mit Konsequenzen, wir hoffen das unser Gegenüber diese selbst erkennt und aus freien Stücken unserem Rat folgt, weil es für ihn persönlich klüger ist und es für ihn so nicht weitergeht.
Das alles findet sich in unserer Fachsprache wieder, in unseren Dokumentationen und Planungen.

Ich glaube, dass unsere Art sich auszudrücken uns sprachlos macht, in einer Zeit wo Nachrichten, Meldungen und Kommentare nicht hart genug Formuliert sein können um ihre Wirkung zu entfalten.
Wir Pflegen unsere Sprachlosigkeit sogar in unseren Protesten, wie bei Pflege am Boden.
Kollegen, wer heute nicht laut ist, er wird nicht gehört!

Wir wollen würdige Bedingungen für unsere Patienten und für uns, wann fangen wir an zu fordern?
Die anderen Akteure in diesem Spiel tun es auch, Patienten Arbeitgeber, Regierungen, Versicherte Krankenkassen Pharmafirmen, und was weiß ich wer noch alles Interessen in diesem Bereich hat.
Die Pflege beschränkt sich weiterhin auf eine Beschreibung des Problems, das Ansprechen von Ressourcen und wartet auf die Compliance der anderen Akteure, weil es ja ohne uns nicht geht, das müssen die anderen eben langsam mal verstehen!
Sie werden es nicht Verstehen, sie halten Pflege am Boden für eine lustige Pantomiementruppe.
Die Schwester und den Pfleger für hingebungsvolle Wesen.
Und glauben fest, das Geiz geil ist und Gesundheit ein Markt mit Wachstums- und Gewinn aussichten.

Stellt euch nur mal vor, ein ganz bisschen, ohne gleich an die armen Patienten zu denken und zu sagen das geht doch nicht, wir würden Aufstehen laut sein, gradeaus unsere Forderungen stellen, und 24h streiken, ohne Notbesetzung ohne Backup.
Sagt nicht das geht nicht, sonder überlegt mal warum es nicht geht...

Dann versteht ihr warum ich denke wir sollten uns nicht hinter unserer Fachsprache verschanzen und im Kleinen versuchen Grosses zu bewirken.
Wir sollten ganz klar formulieren ohne wenn und aber:

Sind wir nicht da seid ihr tot, so einfach ist die Sache!


Ich fände es gut von Euch dazu Meinungen zu hören.

Euer

Garcon de Piss





Samstag, 1. November 2014

Chronik einer Laufbahn

Die Schwester....

Protagonistin dieser kleinen Reihe von Posts ist eine Berufskollegin die ihren Weg in der Pflege sucht. In einzelnen Situationen und Episoden erfährt man wie alles gekommen ist, wie es sich Heute darstellt.

Der erste und der letzte Tag...

Hier sitzt sie nun, an ihrem Schreibtisch, zum ersten mal hat sie ein Foto ihrer Kinder bei der Arbeit vor sich stehen. Fingernägel lackiert, Haare nicht zusammengerafft und Kleidung an in der sie sich nicht wie eine Ameise im Haufen vorkommt. Ihr erster Tag im Büro.
Eine Kollegin kommt rein, bringt Kaffee mit.
Sie fängt sofort an geschäftig zu tun, man kann ja nicht einfach nur hier Sitzen, sie möchte aufstehen.
Ihre Kollegin fragt ob sie Hummeln im Hintern hat und lacht.
Hummeln im Hintern, das wäre ihr lieb, immer wenn ihr jemand bei der Arbeit zu schaut ist es ein ganzes Wespennest. Es ist immer was zu tun immer.
Ihre Kollegin bemerkt ihre Nervosität
"Entspann dich, ist dein erster Tag hier, komm erstmal rein. Jetzt trinken wir unseren Kaffee und ich geh mit dir noch ein paar Sachen durch"
Das hatte sie gebraucht, der Druck entweicht augenblicklich.
Deswegen ist sie ja hier gelandet, weil der Druck raus musste, aus ihr, ausihrem Gewissen, ihrer Familie aus allem, einfach raus.
Sie beginnt zu Arbeiten. Erst mit ihrer Kollegin, dann alleine, konzentriert! Es fällt ihr ein wenig schwer in dem leisen Büro, aber sie genießt es.
Frühstückspause
Die Kollegin  kommt rein.
"Sag mal wie kommt man eigentlich hier hin wenn man vorher Krankenschwester war?"
"Ich weiß es nicht so genau.."
"Ach komm schon, erzähl mal!"
"Ist aber ne lange Geschichte, eine sehr lange."
"Du musst ja nicht alles auf einmal erzählen, wir haben ja Zeit"

Gut sagt sie ich erzähle es dir, von Anfang an.

Es fing am letzten Tag meiner Schülerzeit an. Ihre Kollegin fragt ungläubig warum es nach der Schule anfing. Sie erklärte das es immer noch Schüler heißt in der Krankenpflege.
Die Kollegin nickte musste aber grinsen, zu mir hätte mal einer Lehrmädchen sagen sollen.
Die lange Geschichte begann:

Das Ende und der Anfang ...vom Ende

Schülerin Katrin, das hatte sie heute zum letzten mal gehört, jetzt war sie Schwester Katrin.
staatlich examinierte Gesundheits und Krankenpflegerin.
Endlich, drei Jahre Arbeit und endlich geschafft.
Drei Jahre in denen sie im Krankenhaus eigentlich nur mit Schüler gerufen wurde. Eine Kollegin erklärte ihr es wäre zu anstrengend die Namen der Schüler zu behalten, die wären ja eh schnell wieder weg.
Gut das war bestimmt auch nur weil es so ein großes Haus war in dem über 100 Schüler arbeiteten.
Jetzt war sie ja Schwester Katrin, die als eine der wenigen einen Vertrag bekommen hat. Gut es war nur ein Zeitvertrag, aber immerhin.
Andere hatten nicht soviel Glück dachte sie, die müssen woanders anfangen. Sie überlegte kurz warum bei dem Mangel an Pflegepersonal nicht alle sofort einen Job bekommen hatten und sie keinen Festvertrag. Naja Festverträge macht man halt in der Pflege nicht sofort, da ist das so sagte sie sich. Das hatten ja auch alle Examinierten Kollegen gesagt. Was solls ich kenne mich wenigstens in meinem Krankenhaus aus, muss nicht alles neu lernen.
Sie konnte jetzt Patienten pflegen wie sie es gelernt hat.
Da war das mit dem Zeitvertrag doch nur Formsache.
In 3 Tagen wird es losgehen dachte sie, endlich meine eigenen Patienten.
"Da kann ich dann mal Sachen richtig machen" dachte sie laut, denn sie hatte zu ihrer Schülerzeit eine Menge pflegerischen Mist gesehen. Sie fühlte sich gut bei dem Gedanken, sie würde am Ball bleiben, nicht so wie viele ihrer Kollegen, sie wollte lernen sich fortbilden. Pflege ist ein Beruf mit Zukunft sagte sie sich selbst und war ziemlich stolz auf sich.
Sie Stolperte im Kopf noch mal kurz über den Schüler ohne Vornamen.
Eigentlich verrückt Schüler haben keine Vornamen als wenn sie nur für ihre Arbeit existieren und Schwestern keine Nachnamen, als wenn sie keine Familie hätten.
Sie ging zu ihren frisch examinierten Kollegen. Sie köpften ihren Sekt und feierten.
Sie erzählte ihren Gedanken, alle lachten, sie hatten ja alle ihre Vornamen wieder.
Wenn sie jetzt schon gewusst hätte wie Recht sie mit den Namen hatte, dann wäre alles anders gekommen.
Sie hatte jetzt aber Pläne, sie wollte was bewegen...


Die Pause war zu Ende

Die Kollegin merkte, dass Katrin noch viele Pausen erzählen können würde...

Sie freute sich drauf.

 


Notfall: Dienstplan

Ist es Notfall

oder Normalfall?
In  unserem täglichen Geschäft im Gesundheitswesen leben wir mit Notfällen.
Wir können damit umgehen haben Routine, zumindest mit externen Notfällen.
Wie sieht es aber aus wenn es intern zum Notfall kommt? Damit ist nicht gemeint wenn ein Kollege zusammen bricht, sondern der Dienstplan, wegen Krankheit oder ähnlichem.
Dann ist er da, der Notfall!
Das Fachpersonal spult dann routiniert sein Notfallprogramm ab, Termine werden verschoben, Leute aus dem Frei geholt. Nach kurzer Zeit ist der Notfall professionell gemanagt.
Alle sind stolz, dass das Team es wieder gemeistert hat. Ganz ohne Hilfe von OBEN.
Wir haben den Laden im Griff.

Ich stelle jetzt mal die Frage, sind das überhaupt Notfälle?
Handelt es sich nicht eher um Normalfälle? Oder schlimmer noch um Fahrlässigkeiten?

Kein Normaler Mensch würde ohne Ersatzrad eine 2000km Urlaubsreise mit dem Auto antreten.
Schon gar nicht, weil ihm das Ersatzrad zu teuer ist und den Spritverbrauch wegen des Ballasts erhöht.
Da sagt der gesunde Menschenverstand, so etwas ist dämlich.
Ist es auch, obwohl kaum jemand jemals einen Platten unterwegs hat.

In der Pflege sieht das anders aus.
Da ist die Vorgehensweise: Ist der Reifen platt, fahren wir halt auf 3 Rädern weiter.
Rein rechnerisch Tragen die drei Räder ja die Karre.
Also lassen wir dass Reserverad einfach weg.
Und damit es passt erhöhen wir einfach den Druck bei den anderen Dreien.

So einfach geht das, was mit Drei schrauben hält, hält auch mit zwei.

Bei einem Handwerker würde man von Pfusch reden, aber wir sind da anders.
Wir sind stolz, dass wir das unmögliche machen!
Denkt immer dran ihr seid die Reifen, nicht der Besitzer des Autos, auch wenn man euch das suggerieren will.

Muss das sein?

Sagt einfach mal NEIN.

euer

Garcon de Piss

Mindsets: Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen

  Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen Was ich jetzt beschreibe ist eine Sicht auf die häufigsten Erfahru...