Mittwoch, 31. Dezember 2014

Das Maß ist voll...

und zwar sowas von voll, 

dass mir gerade, am letzten Tag des Jahres der Kragen platzt.
Nach einem,  dank überaus harmonischer Gestaltung der Dienstpläne, völlig versauten Dezember (siehe hier) kommt das dicke Ende heute.
Am letzten Tag 2014 wird das Jahr 2015 schon direkt wieder mit Wut eingeläutet, aber der Reihe nach.
Ich schrieb ja bereits darüber, dass Arbeitgeber in der Pflege dazu neigen, Personal als Verbrauchsmaterial zu sehen, was nach Bedarf an und abbestellt werden kann.


Aber dieser Dezember hatte selbst für jemanden der sich seit 1996 in der Pflege verdingt, Sachen bereit, die mich vor Wut zum schäumen bringen.

Wir haben also im November den Weihnachts- und Silvesterplan besprochen.
Daraus wurden während des Dezembers ohne Absprache 7 Änderungen des laufenden Planes.
Ohne, dass sich auch nur ein weiterer Kollege krank gemeldet hätte.
Das führte schon zu lautstarken Auseinandersetzungen mit der Pflegedienstleitung.
Da wir bereits die 3. Änderung in der ersten Dezemberwoche hatten, planten wir eine Dienstbesprechung mit ihrer Anwesenheit.
10 Minuten vor der Sitzung verließ sie dann die heiligen Hallen.
Einige Tage drauf kam es dann wieder zu einer Auseinandersetzung mit der Pflegedienstleitung.
Sie regte sich maßlos darüber auf, dass so wichtige Dinge ohne ihre Anwesenheit besprochen wurden.
Eigentlich machte sie nur die anwesende Protokollführerin rund, für das, was besprochen wurde.
Die Kollegin antwortete darauf nur, sie hätte doch zur Sitzung bleiben können, schließlich wurde ihr ja gesagt, dass es wichtig sei.
Darauf fuhr sie die Kollegin an, niemand könne über IHRE Freizeit bestimmen und wir schon mal gar nicht!
Da ist mir die Hutschnur gerissen.
Ich habe sie gefragt was sie denn meint, was sie tut wenn sie dauernd Dienstpläne umschreibt, Kollegen gegen Absprachen Weihnachten und Silvester einsetzt usw.
Ihr Antwort: Wir wären schließlich FREIWILLIG hier beschäftigt.
Das nagte an mir, ja ich war freiwillig dort.
Dämlich wie ich bin erwartet ich einfach mehr als das übliche: "Ich Chef du nix!"
Gut, dachte ich, lächle und sei froh, den Rest könnt ihr euch denken.

Nächster Akt erste Szene:

Öffnen der Abrechnung am 24. Dez morgens.

Kohle stimmt nicht...
Nur 20 von 46 Überstunden drauf, Bereitschaftsdienste gar nicht.

Anruf bei der PDL:

"Also ich habe beschlossen, dass wir ein Stundenkonto einführen."
"Das kannst du nicht einfach so beschließen"
"Das gibt es überall."
"Ich habe es nicht im Vertrag, Es gibt keine Betriebsvereinbarung und es gilt für uns kein Tarifvertrag."
"Das ist in der Pflege so!"

Ende des Gesprächs

Zweite Szene:

Eine Email:
Du hast leider keine Überstunden, da ich alles mal mit vergangenen Monaten verrechnet habe!

Ähm? Was bitte? Meine Stundennachweise sagen was anderes!

Egal meine nicht!

Okay dachte ich mir, du willst Krieg, den bekommst Du!
Dabei ist mir jetzt auch scheißegal ob ich bis Ende Februar Probezeit habe!
Ich bin Pfleger, kein Sklave!

Nun wer jetzt erwartet es wäre zu Ende, der kennt den klassischen Dreiakter nicht!

Dritter Akt:
Silvester, der Protagonist der Geschichte sitzt Kaffee schlürfend mit der Brut vor dem Fernseher.
BING!

Eine Email.

Oh von der Chefin, bestimmt die üblichen guten Rutsch Floskeln! Gleich mal ansehen.

Da stand dann schwarz auf weiß, ich hätte ja nur 15 Tage Urlaub angegeben und müsste das jetzt mit meinen  Kolleginnen absprechen. In den Ferien sähe es übel aus, da hätten ja jetzt die Mütter alle frei, da könne ich nicht auch noch.

Kaffee weggespuckt....

Als Vater brauche ich keinen Urlaub? Ach ja, sehe meine Familie ja eh nie wirklich, dann fehle ich im Urlaub ja auch nicht! ODER WAS?

Wir haben GEMEINSAM einen Urlaubsplan erstellt, im November. Dort stand es schwarz auf weiß. Urlaubsanträge für Ostern, Sommer und Herbst.
Das stimmt jetzt offensichtlich nicht mehr. Urlaub gemeinsam mit der Familie? Wer braucht denn sowas?

Das war mein Dezember.

Jetzt sitze ich hier mit einer Mordswut im Bauch!
Gleich muss ich mich von meinen Kindern verabschieden, denn ich hab Nachtdienst.
Ich fühle mich leer, verbraucht und verarscht.
Ich will diesen Scheiß nicht mehr. Nicht mehr diesen Job unter diesen Bedingungen.

Ich will wieder ein Mensch sein, ein Vater, jemand der weiß wann und wofür er arbeitet. Jemand der wirklich freie Tage und Urlaub mit seiner Familie hat.

Und jetzt weiß ich auch nicht weiter....

Guten Rutsch

Euer

Garcon de Piss


Freitag, 5. Dezember 2014

„Komm scheiß auf die Kohle Schatz!“ oder „Warum Familie und Pflege nicht zusammen passen.“

Wir sind die typische Pflegefamilie. Krankenschwester und Krankenpfleger. Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt, geheiratet und Kinder bekommen. (In diesem Beruf ist es ja auch kaum möglich jemand außerhalb der Klinik kennenzulernen, das würde nämlich ein Privatleben voraussetzen.)

Nun ist der jüngste Spross gerade 1 Jahr alt geworden, womit sich Vater Staat aus der finanziellen Unterstützung verabschiedet. Soll heißen, Elterngeld ist ausgelaufen. Ich kann ja wieder arbeiten.

Ach ja? Kann ich das? Mit 2 Kleinkindern, in der Pflege?

Nun bin ich ja top qualifiziert. Mein Examen erlaubt mir die unterschiedlichsten Tätigkeitsbereiche. Von Intensiv- bis Palliativpflege, von Krankenhaus, Seniorenheim über ambulanten Pflegedienst, Dialysepraxis bis hin zu Psychiatrie und Gynäkologie. Kein Bereich, auf den ich während meiner Ausbildung nicht vorbereitet worden wäre.

Das kann doch nicht so schwer sein, was passendes zu finde, oder? Sagt zumindest meine Schwiegermutter: „Also ich war nach der Geburt deines Mannes sofort wieder arbeiten. Dann nur noch halbtags, aber das war kein Problem. Kannst doch auch `ne kleine Stelle machen.“

Eine kleine Stelle, so so. Liebste Schwiegermama, Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit. Denn während du regelmäßig Montag bis Freitag von 08 bis 12:00 Uhr arbeiten gegangen bist und anschließend deinen Sohn zunächst von seiner Oma und später aus dem Kindergarten abgeholt hast, bedeutet Teilzeit für eine Krankenschwester im Klinikalltag Verfügbarkeit an 365 Tagen im Jahr 24 Std.

Ja, die monatliche Stundenzahl ist begrenzt, ähm sollte eigentlich begrenzt sein. Aber wann ich diese abzuleisten habe entscheidet sich jeden Monat neu. Ich habe vielleicht die Wahl ob in 8 oder 12 Std Schichten. Aber ganz sicher nicht nur an Wochentagen zu je 4 Stunden. Und da der werte Gatte nach eben demselben völlig willkürlichem Prinzip seine Dienste zugeteilt bekommt, hieße das Monat für Monat spontan Kinderbetreuung zu organisieren. Mal für Montag Nachmittag, mal für 3 Tage am Stück nachts, mal für Ostern und mal für Silvester. Und jetzt kommst Du ins Spiel, Schwiegermama. Möchtest Du das? Dein Rentenzeit nach unseren Dienstplänen ausrichten? Nur noch in den Urlaub fahren können, wenn wir Urlaub haben? Termine mit Freunden absagen, weil einer von uns einspringen soll und der andere ohnehin Dienst hat? Denn den Löwenanteil der Kinderbetreuung wird keine Kita abdecken. Nicht nachts, nicht im Spätdienst, nicht an Feiertagen und nicht an den Wochenenden.

Komisch, auf einmal war meine Schwiegermutter gar nicht mehr so begeistert von ihrer Idee.

„Aber Moment, es gibt doch noch verschiedene Praxen. Die stellen doch auch oft Krankenschwestern ein. Und da muss man doch nur zu den Öffnungszeiten da sein. Also regelmäßig und nicht an Feiertagen und Wochenenden.“

Richtig, ich habe mich auch dort erkundigt. Und es ist überhaupt kein Problem für mich als Schwester mit Erfahrung in der Ambulanz zum Beispiel in einer der chirurgischen Praxen hier in der Nähe eingestellt zu werden. Allerdings zum Tarif einer Arzthelferin. Das hieße dann, dass ich mit einer halben Stelle Lohnsteuerklasse 5 exakt die Kosten für die beiden U3 Kitaplätze und die Ganztagsbetreuung des Großen plus ca 100Euro erwirtschaften würde. Na wenn das mal nix ist! Das könnte ja sogar für`s monatliche Spritgeld reichen um zur Arbeit zu kommen. Wahnsinn!

Nun kommt der Mann mit zur Unterhaltung. “Ach komm scheiß auf die Kohle, Schatz. Bleib noch ein Jahr zu Hause, dann sehen wir weiter. Wir beantragen diese Herdprämie dann ist wenigstens einer von uns immer für die Kinder da. Und wenn`s ganz eng werden sollte, mache ich eben noch 450€ oben drauf.“

Genau, eine tolle Lösung! Ich möchte doch eigentlich wieder arbeiten. Und den Mann kotzt es jetzt schon an, die Kinder teilweise tagelang nicht zu Gesicht zu bekomme. Wir sind aber auch nicht bereit, dass sich das Leben unsere Kinder und wegen der Betreuung sogar das unserer Eltern diesem bescheuerten System unterordnen muss. Also machen der Mann und ich exakt das Gegenteil von dem, was wir uns eigentlich gewünscht hätten. Also das nächste Jahr und dann mal schauen.

Weil Pflege und Familie einfach nicht zusammen passen.

Und jetzt frage ich mich:

Wo ist das Problem in Krankenhäusern arbeitnehmer- und familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen?

Wo ist das Problem Schichten für Teilzeitkräfte einzuführen, die beispielsweise von 8:00 bis 12:00 Uhr gehen? (Es ist genug zu tun in dieser Zeit!)

Wo ist das Problem verlässliche Rollendienstpläne zu erstellen?

Wo ist das Problem wenigstens den Versuch zu starten auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen?

Es herrscht Pflegenotstand. Offene Stellen können monatelang nicht besetzt werden. Und immer noch sind Betriebe, die den pflegenden Mitarbeitern gegenüber so etwas wie Wertschätzung entgegenbringen und das Thema „Work-Live Balance“ nicht nur irgendwo auf ein Blatt Papier gemalt haben, sondern in die Tat umsetzen, die große Ausnahmen. WARUM?

Wenn man nur diejenigen zurück in den Beruf bekäme, die der Pflege genau deshalb den Rücken gekehrt haben, wäre schon so vielen geholfen. Alle Reden immer von Geld. Klar, in Sachen Gehalt ist natürlich noch eine ganze Menge Luft nach oben. Aber was bitte kostet denn eine vernünftiger und verlässlicher Dienstplan?

Eure

@emergencymum

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Pfleger und Schwestern sind KEIN Verbrauchsmaterial! Oder es weihnachtet sehr in der Pflege.....

Es ist wieder so weit.....

die besinnlichen Feiertage stehen an, alle bereiten sich auf einen Jahresausklang vor.

Alle?

Nein, in der Pflege geht es jetzt wieder hoch her. Nachdem im November alle Planungen bezüglich Weihnachten und Silvester gelaufen sind kommt nun am 4.12. der DRITTE Dienstplan für Dezember raus.

Mir reicht es! Anmerkungen bezüglich des Direktionsrechts des Arbeitgebers werden mit einem
"in der Pflege ist das halt anders" beantwortet.

Was ist in der Pflege anders? Haben wir kein Recht auf eine Freizeitgestaltung? Zur Erklärung:
Ausgangsfrage war wie immer: "Wer macht Weihnachten, wer Silvester?" Denn Urlaub bekommt eh niemand und irgendwie soll ja alles fair ablaufen. Ich habe 3 Kinder, entscheide mich also für Silvester. Nachtdienst, versteht sich. Chefin möchte aber auch noch das folgende Wochenende. Gut, dann eben 5 Nächte zu je 12 Std. Hauptsache Weihnachten zu Hause bei der Familie. Dann versuchen wir eben sämtlichen familiären und sozialen Kontakte in den 5 freien Tage über Weihnachten gerecht zu werden. Diese Vereinbarung hat auch gehalten. Und zwar exakt 2 Dienstpläne (wir sprechen hier immernoch über den Monat Dezember) lang.

Warum bitte soll ich es jetzt hinnehmen, dass in der 3. Version aus einem "nur" Silvesterdienstblock, 4 Tage Nachtdienst bis einschließlich 24. wird und dann nochmal sportliche 60h am Stück bis zum Jahresende?
Mit der Begründung es wäre quasi ein Notfall?
Ich erkenne den Notfall nicht.

Der Notfall ist: Der PDL ist plötzlich aufgefallen, dass da ja Mitarbeiter zusammenarbeiten, die ihrer Meinung nach nicht zusammen arbeiten sollten.

"Es müssen ja gerade über die Feiertage Leute da sein, die wissen was sie tun!"

Bitte was?
Die Leitung geht davon aus, dass Leute hier im Dienst sind, die nicht wissen was sie tun?
Noch ein größeres Armutszeugnis kann man sich als Leitung nicht ausstellen.
Sollte dem so sein, dann habe ich als Leitung doch dafür zu sorgen, dass meine Mitarbeiter qualifiziert werden, oder? Und wenn es Geld kostet dann ist das eben so!
Mal abgesehen davon, einer examinierten Pflegekraft so etwas vorzuwerfen... Sie wüsste nicht was sie tut. Hallo?

Ich habe die Schnauze voll!
Ehrlich, ich bin nicht mehr bereit mein Leben aufzugeben für meinen Arbeitgeber.

Aber genug Wut jetzt!

Versuchen wir das ganze sachlich zu betrachten, außerhalb von Vorschriften.

Pflegekräfte sollen wertschätzend mit ihren Patienten umgehen, weil es ein Kern unseres Berufes ist.
Wir tun das auch, abseits aller unrühmlicher Ausnahmen.
Unser Vorgesetzten verlangen das auch zu Recht von uns.
Aber wo bleiben wir in der Geschichte?
Wertschätzung gegenüber uns bleibt völlig auf der Strecke, Dienstpläne sind offensichtlich nicht mehr bindend für Arbeitgeber. Arbeitzeitgesetze werden als gut gemeinter Rat gesehen.
Über Personal verfügt man. Da wir ohnehin 24*7 da sein müssen dann eben auch genau so.
Es ist egal. Egal wieviele Dienste wir bereits haben, egal was besprochen war. Unsere Freizeit ist betriebswirtschaftliche Verfügungsmasse, natürlich nur zum Wohle des Patienten.
Aber ist das so? Dient es dem Wohl des Patienten wenn ich 60h in der Woche arbeite?
Dient es dem Wohl des Patienten wenn ich mal wieder alle Festlichkeiten zu Weihnachten und Silvester sausen lassen muss, weil mein Arbeitgeber sich einen neuen Dienstplan ausgedacht hat?
Ich denke nicht!
Das Gegenteil ist der Fall. Das Pflegepersonal ist das Feigenblatt eines Systems indem es nur um die Wirtschaftlichkeit geht.
Von uns wird erwartet, das freundliche, fürsorgliche Gesicht eines durch und durch gewinnstrebenden Systems zu sein.
Der Patient ist Fallpauschale und unsere Arbeitskraft trägt leider am wenigsten zur Refinanzierung bei.
Wir werden zerrissen zwischen Wirklichkeit und Anspruch.
Familienleben, Freunde, soziale Kontakte, alles muss hinter dem heiligen Dienstplan zurückstehen.
Wie wertschätzend kann, so frage ich mich, jemand gegenüber seinen Patienten sein, der keinen geregelten Ausgleich von der Arbeit mehr findet? Geregelt heißt in diesem Falle, verlässlich, planbar und ausreichend.

Gute Pflege kann nur von Menschen geleistet werden, die fest in ihrem Leben stehen und Rückhalt durch Freunde, Familie usw für ihren teilweise extrem psychisch belastenden Beruf haben.

Ich denke, ich habe Pflege durchgespielt, der Endgegner ist erreicht.
Ich will gesund bleiben und denke ich muss deshalb von den Kranken Abstand nehmen.
Und mit krank meine ich nicht primär die Patienten. 


Euer

Garcon de Piss





Freitag, 21. November 2014

Macht uns die Sprache sprachlos?

Ich habe mir in letzter Zeit oft Gedanken gemacht warum die Pflege den Problemen oft sprachlos gegenübersteht.
Ich habe einen, völlig subjektiven, Erklärungsansatz gefunden und möchte ihn auf diesem Wege mit euch teilen.

Mir ist auf gefallen, dass meine Kollegen und ich auch oft unsere Probleme, die in unserer Arbeit entstehen verklausulieren.
Kaum jemand sagt ganz offen wenn es so weitergeht fahren wir die Karre mit 180 vor die Wand.
Oft hört sich unsere Kritik an wie eine Pflegeplanung.
Eine Minimale Beschreibung des Problems, eine endlose Aufzählung von Ressourcen, und dann eine Maßname quasi als Lösungsangebot. Außerdem nehmen wir dabei auch oft noch die Rolle des Gegenübers an um Dinge die uns "wehtun" für andere zu begründen.

Ich versuche das mal an einem Beispiel deutlich zu machen.

Wir sind alle ständig von Personalnot bedroht.
Aber wie äußern wir das?
 Was schlagen wir vor?

Die Feststellung, wir haben zu wenig Personal ist noch schnell gemacht.
Dann aber verfallen wir oft schon in die Erklärung was wir aber dennoch alles für die Patienten tun können obwohl wir zu wenig Zeit haben, dass es den Patienten ja eigentlich gut geht, es aber natürlich besser gehen könnte.
Um dann die Lösung nach zu schieben wir wären ja Zufrieden wenn wir etwas mehr Personal hätten.

Klingt fast wie Pflegeplanung, oder?

Dann, so geht es oft weiter, wird das Verhalten des Arbeitgebers erklärt.
Es würde ja sicher Personal eingestellt, wenn es welches am Markt gäbe.
Außerdem müsse man ja mit dem Geld haushalten, das wäre ja eine wichtige Aufgabe des Arbeitgebers.

Da fange ich oft schon an zu zweifeln ob meine Kollegen sich ihrer Rolle noch bewusst sind.

Oft wird dann noch nachgeschoben, man wäre sogar bereit auf Lohnerhöhung zu verzichten nur um mehr Personal zu bekommen.

Da  verlassen wir nun vollständig den Pfad des gesunden Menschenverstandes.

Warum aber ist das so, warum verfallen viele in dieses Muster der Erklärung?

Meine Antwort ist, weil wir es so gelernt haben.
Es ist die Sprache der Pflege die wir hier hören.
Wir sind es gewohnt, zu jedem Problem zuerst die Ressourcen zu sehen.
Wir sind es gewohnt dem gegenüber nicht die Schuld an der Situation zu geben, sondern sie als eine Folge von Ereignissen zu sehen, auf die unser Gegenüber keinen Einfluss hat, oder so nicht wollte.
Wir wagen es nicht jemanden bloß zu stellen.
Wir verklausulieren üble Dinge in positiver Sprache.
Und wir sind es gewohnt für andere mitzudenken.

Daher kommt unsere Kritik, bei anderen die diese Art der Kommunikation nicht gelernt haben immer ein wenig rüber wie: eigentlich geht es doch noch grade eben so.

Ganz Ähnlich wie in Pflegeplanungen, wo man selbst bei schwerstkranken dem Tode geweihten Patienten schreibt was ihre Ressourcen sind.

Das verstehen normale Menschen nicht! Die lesen was der Mensch noch alles kann und denken: Och, so mies geht es ihm ja dann doch noch nicht.

Ich glaube diese Sprache lässt uns mehr und mehr in einer Blase verschwinden.
Untereinander verstehen wir uns, aber darüber hinaus?


Nur wenige sind in der Lage Dinge so zu formulieren, dass es ankommt und auch weh tut.

 Zum Beispiel so:

Da wir zu wenig Personal haben müssen bei Patienten eigentlich notwendige Pflegehandlungen unterbleiben.
Das führt automatisch zu Pflegefehlern oder gefährlicher Pflege durch Unterlassung.
Für die Personalsituation ist der Arbeitgeber verantwortlich und nicht wir.
Wir tragen nicht das Unternehmerrisiko für unsere Arbeitgeber.
Und lieber Arbeitgeber, erzähl mir nicht wir müssen uns am Markt positionieren, während du mir erzählst das Marktgesetze bei der Lohnfindung nicht gelten.
Willst du Leute bekommen oder halten musst du Zahlen, das Spiel von Angebot und Nachfrage!

Eigentlich ist es doch das was wir meinen.

Aber wir verbieten uns aggressiv aufzutreten, das gestehen wir nur anderen zu, ja wir versuchen es bei anderen sogar zu erklären.Wir versuchen das System zu gesund zu pflegen ohne es vor den Kopf zu stoßen. Die Maximalforderung ist der Pflege fremd, die Pflege verhandelt nicht gerne, sie versucht zu lenken, mit Überzeugung, mit Beratung und Anleitung...
Wir drohen nicht mit Konsequenzen, wir hoffen das unser Gegenüber diese selbst erkennt und aus freien Stücken unserem Rat folgt, weil es für ihn persönlich klüger ist und es für ihn so nicht weitergeht.
Das alles findet sich in unserer Fachsprache wieder, in unseren Dokumentationen und Planungen.

Ich glaube, dass unsere Art sich auszudrücken uns sprachlos macht, in einer Zeit wo Nachrichten, Meldungen und Kommentare nicht hart genug Formuliert sein können um ihre Wirkung zu entfalten.
Wir Pflegen unsere Sprachlosigkeit sogar in unseren Protesten, wie bei Pflege am Boden.
Kollegen, wer heute nicht laut ist, er wird nicht gehört!

Wir wollen würdige Bedingungen für unsere Patienten und für uns, wann fangen wir an zu fordern?
Die anderen Akteure in diesem Spiel tun es auch, Patienten Arbeitgeber, Regierungen, Versicherte Krankenkassen Pharmafirmen, und was weiß ich wer noch alles Interessen in diesem Bereich hat.
Die Pflege beschränkt sich weiterhin auf eine Beschreibung des Problems, das Ansprechen von Ressourcen und wartet auf die Compliance der anderen Akteure, weil es ja ohne uns nicht geht, das müssen die anderen eben langsam mal verstehen!
Sie werden es nicht Verstehen, sie halten Pflege am Boden für eine lustige Pantomiementruppe.
Die Schwester und den Pfleger für hingebungsvolle Wesen.
Und glauben fest, das Geiz geil ist und Gesundheit ein Markt mit Wachstums- und Gewinn aussichten.

Stellt euch nur mal vor, ein ganz bisschen, ohne gleich an die armen Patienten zu denken und zu sagen das geht doch nicht, wir würden Aufstehen laut sein, gradeaus unsere Forderungen stellen, und 24h streiken, ohne Notbesetzung ohne Backup.
Sagt nicht das geht nicht, sonder überlegt mal warum es nicht geht...

Dann versteht ihr warum ich denke wir sollten uns nicht hinter unserer Fachsprache verschanzen und im Kleinen versuchen Grosses zu bewirken.
Wir sollten ganz klar formulieren ohne wenn und aber:

Sind wir nicht da seid ihr tot, so einfach ist die Sache!


Ich fände es gut von Euch dazu Meinungen zu hören.

Euer

Garcon de Piss





Samstag, 1. November 2014

Chronik einer Laufbahn

Die Schwester....

Protagonistin dieser kleinen Reihe von Posts ist eine Berufskollegin die ihren Weg in der Pflege sucht. In einzelnen Situationen und Episoden erfährt man wie alles gekommen ist, wie es sich Heute darstellt.

Der erste und der letzte Tag...

Hier sitzt sie nun, an ihrem Schreibtisch, zum ersten mal hat sie ein Foto ihrer Kinder bei der Arbeit vor sich stehen. Fingernägel lackiert, Haare nicht zusammengerafft und Kleidung an in der sie sich nicht wie eine Ameise im Haufen vorkommt. Ihr erster Tag im Büro.
Eine Kollegin kommt rein, bringt Kaffee mit.
Sie fängt sofort an geschäftig zu tun, man kann ja nicht einfach nur hier Sitzen, sie möchte aufstehen.
Ihre Kollegin fragt ob sie Hummeln im Hintern hat und lacht.
Hummeln im Hintern, das wäre ihr lieb, immer wenn ihr jemand bei der Arbeit zu schaut ist es ein ganzes Wespennest. Es ist immer was zu tun immer.
Ihre Kollegin bemerkt ihre Nervosität
"Entspann dich, ist dein erster Tag hier, komm erstmal rein. Jetzt trinken wir unseren Kaffee und ich geh mit dir noch ein paar Sachen durch"
Das hatte sie gebraucht, der Druck entweicht augenblicklich.
Deswegen ist sie ja hier gelandet, weil der Druck raus musste, aus ihr, ausihrem Gewissen, ihrer Familie aus allem, einfach raus.
Sie beginnt zu Arbeiten. Erst mit ihrer Kollegin, dann alleine, konzentriert! Es fällt ihr ein wenig schwer in dem leisen Büro, aber sie genießt es.
Frühstückspause
Die Kollegin  kommt rein.
"Sag mal wie kommt man eigentlich hier hin wenn man vorher Krankenschwester war?"
"Ich weiß es nicht so genau.."
"Ach komm schon, erzähl mal!"
"Ist aber ne lange Geschichte, eine sehr lange."
"Du musst ja nicht alles auf einmal erzählen, wir haben ja Zeit"

Gut sagt sie ich erzähle es dir, von Anfang an.

Es fing am letzten Tag meiner Schülerzeit an. Ihre Kollegin fragt ungläubig warum es nach der Schule anfing. Sie erklärte das es immer noch Schüler heißt in der Krankenpflege.
Die Kollegin nickte musste aber grinsen, zu mir hätte mal einer Lehrmädchen sagen sollen.
Die lange Geschichte begann:

Das Ende und der Anfang ...vom Ende

Schülerin Katrin, das hatte sie heute zum letzten mal gehört, jetzt war sie Schwester Katrin.
staatlich examinierte Gesundheits und Krankenpflegerin.
Endlich, drei Jahre Arbeit und endlich geschafft.
Drei Jahre in denen sie im Krankenhaus eigentlich nur mit Schüler gerufen wurde. Eine Kollegin erklärte ihr es wäre zu anstrengend die Namen der Schüler zu behalten, die wären ja eh schnell wieder weg.
Gut das war bestimmt auch nur weil es so ein großes Haus war in dem über 100 Schüler arbeiteten.
Jetzt war sie ja Schwester Katrin, die als eine der wenigen einen Vertrag bekommen hat. Gut es war nur ein Zeitvertrag, aber immerhin.
Andere hatten nicht soviel Glück dachte sie, die müssen woanders anfangen. Sie überlegte kurz warum bei dem Mangel an Pflegepersonal nicht alle sofort einen Job bekommen hatten und sie keinen Festvertrag. Naja Festverträge macht man halt in der Pflege nicht sofort, da ist das so sagte sie sich. Das hatten ja auch alle Examinierten Kollegen gesagt. Was solls ich kenne mich wenigstens in meinem Krankenhaus aus, muss nicht alles neu lernen.
Sie konnte jetzt Patienten pflegen wie sie es gelernt hat.
Da war das mit dem Zeitvertrag doch nur Formsache.
In 3 Tagen wird es losgehen dachte sie, endlich meine eigenen Patienten.
"Da kann ich dann mal Sachen richtig machen" dachte sie laut, denn sie hatte zu ihrer Schülerzeit eine Menge pflegerischen Mist gesehen. Sie fühlte sich gut bei dem Gedanken, sie würde am Ball bleiben, nicht so wie viele ihrer Kollegen, sie wollte lernen sich fortbilden. Pflege ist ein Beruf mit Zukunft sagte sie sich selbst und war ziemlich stolz auf sich.
Sie Stolperte im Kopf noch mal kurz über den Schüler ohne Vornamen.
Eigentlich verrückt Schüler haben keine Vornamen als wenn sie nur für ihre Arbeit existieren und Schwestern keine Nachnamen, als wenn sie keine Familie hätten.
Sie ging zu ihren frisch examinierten Kollegen. Sie köpften ihren Sekt und feierten.
Sie erzählte ihren Gedanken, alle lachten, sie hatten ja alle ihre Vornamen wieder.
Wenn sie jetzt schon gewusst hätte wie Recht sie mit den Namen hatte, dann wäre alles anders gekommen.
Sie hatte jetzt aber Pläne, sie wollte was bewegen...


Die Pause war zu Ende

Die Kollegin merkte, dass Katrin noch viele Pausen erzählen können würde...

Sie freute sich drauf.

 


Notfall: Dienstplan

Ist es Notfall

oder Normalfall?
In  unserem täglichen Geschäft im Gesundheitswesen leben wir mit Notfällen.
Wir können damit umgehen haben Routine, zumindest mit externen Notfällen.
Wie sieht es aber aus wenn es intern zum Notfall kommt? Damit ist nicht gemeint wenn ein Kollege zusammen bricht, sondern der Dienstplan, wegen Krankheit oder ähnlichem.
Dann ist er da, der Notfall!
Das Fachpersonal spult dann routiniert sein Notfallprogramm ab, Termine werden verschoben, Leute aus dem Frei geholt. Nach kurzer Zeit ist der Notfall professionell gemanagt.
Alle sind stolz, dass das Team es wieder gemeistert hat. Ganz ohne Hilfe von OBEN.
Wir haben den Laden im Griff.

Ich stelle jetzt mal die Frage, sind das überhaupt Notfälle?
Handelt es sich nicht eher um Normalfälle? Oder schlimmer noch um Fahrlässigkeiten?

Kein Normaler Mensch würde ohne Ersatzrad eine 2000km Urlaubsreise mit dem Auto antreten.
Schon gar nicht, weil ihm das Ersatzrad zu teuer ist und den Spritverbrauch wegen des Ballasts erhöht.
Da sagt der gesunde Menschenverstand, so etwas ist dämlich.
Ist es auch, obwohl kaum jemand jemals einen Platten unterwegs hat.

In der Pflege sieht das anders aus.
Da ist die Vorgehensweise: Ist der Reifen platt, fahren wir halt auf 3 Rädern weiter.
Rein rechnerisch Tragen die drei Räder ja die Karre.
Also lassen wir dass Reserverad einfach weg.
Und damit es passt erhöhen wir einfach den Druck bei den anderen Dreien.

So einfach geht das, was mit Drei schrauben hält, hält auch mit zwei.

Bei einem Handwerker würde man von Pfusch reden, aber wir sind da anders.
Wir sind stolz, dass wir das unmögliche machen!
Denkt immer dran ihr seid die Reifen, nicht der Besitzer des Autos, auch wenn man euch das suggerieren will.

Muss das sein?

Sagt einfach mal NEIN.

euer

Garcon de Piss

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Gedanken zum Bahnstreik

Was wäre wenn

die Pflege mal wie die Eisenbahner ernsthaft streiken würden?

Ich denke die so großen Sympathien für die Pflege wären dann binnen von 48h
verspielt. Es wäre meiner Meinung nach ganz sicher, dass man uns vorwerfen würde
unsere Interessen auf dem Rücken der Kranken und Schwachen dieser Gesellschaft durchsetzten wollen. Es kämen sicherlich Dinge wie: Pflegende Angehörige können auch nicht in Streik treten! Ihr gefährdet Leben und Gesundheit von Menschen.
Ja ich denke die meisten mögen uns so wie wir sind, klein, leise und am Boden.
Sympathie haben nur Opfer, für sich selbst Eintreten ist schließlich Egoismus.

So stelle ich mir das vor.



euer

Garcon de Piss

Samstag, 27. September 2014

Angst...

Darf man noch angstfrei leben?

Die Bedrohung ist allgegenwärtig. Strahlung, Gifte, Gene, Klima, Krisen.
Die Welt steht am Abgrund und es muss was getan werden.

Das ist kurz gesagt was die Quersumme aus Medienberichterstattung ergibt.

Andererseits werden wir so alt wie nie sind so gesund wie nie, kurz um Deuschland geht es körperlich besser als jemals zuvor.

Mir wird tagtäglich berichtet, dass ich mich fürchten muss, aber wovor?
davor, das ich mit hoher Wahrscheinlichkeit über 80 werde?
Oder den Atomtod durch eine explodierendes Kraftwerk sterbe. Das mutierte Gene mich zum Zombie werden lassen, oder Fracking Deutschland unbewohnbar macht?

Wohl kaum, alles unwahrscheinlich, möglich, aber unwahrscheinlich.

Ich fürchte mich davor 80 zu werden und keiner kann es bezahlen...
Ich fürchte mich davor, dass mein Job mich schafft bevor ich in Rente gehen kann.
Ich fürchte mich davor, dass wenn ich einmal pflegebedürftig bin, keiner mehr da ist um mich zu pflegen.
Das sind reale jetzt aufziehende Gefahren, aber was sind das schon für egoistische Ängste im Vergleich zur Rettung der Welt.

Euer
Garcon de Piss



Donnerstag, 25. September 2014

Da wäre ich dann....

Was tue ich hier...

... und was viel wichtiger ist : Warum?



In letzter Zeit merke ich, dass ich nicht mehr alles unkommentiert stehen lassen mag, was mir im Alltag begegnet. Das mag sicher auch schon einsetzender Altersstarrsinn sein. Allerdings glaube ich, dass sich allein schon durch meine Kinder die Sicht auf viele Dinge verändert hat. Ich habe übrigens genug Kinder um in Deutschland als kinderreich zu gelten.



Was hat das mit meiner Entscheidung hier etwas zu schreiben zu tun?

Die Kinder haben auch etwas damit zu tun, dass ich mich hier unter anderem über meinen Beruf, Krankenpfleger, auslassen möchte. Das tägliche Hineinfressen einfach mal nach außen kehren, als Psychohygiene vielleicht, um es nicht mit nach Hause zu den Kindern zu nehmen.
Die Kinder sind natürlich nicht der einzige Grund. Ich will auch meine Meinung loswerden, zu Dingen die mich interessieren, aufregen oder bewegen.



Mein Beruf zwingt mich dazu, unter einem Pseudonym zu schreiben.
Viel von dem was mir durch den Kopf geht, würde sicherlich mit beruflichen Nachteilen für mich enden. Denn, was in sozialen Berufen ganz und gar nicht gefragt ist, ist Kritik und Arbeitgeber schauen gerne mal nach, was ihre Mitarbeiter im Netz treiben.



Was ist also hier zu erwarten?

Ich werde hier Dinge schreiben, die ich loswerden muss, bevor ich platze. Vor allem die, die ich auf meinem lieblings Medium Twitter, nicht loswerden kann. Die 140 Zeichen Begrenzung führen zu oft zu Sinnverzerrungen und Missverständnissen.



Ich hoffe wir Lesen uns...



Euer



Garcon de Piss

Mindsets: Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen

  Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen Was ich jetzt beschreibe ist eine Sicht auf die häufigsten Erfahru...